Ort: Zürich, ZH · Datum: 21.3.2010 · Fall: Tötungsdelikt

ZH: Das Tötungsdelikt an Michi R. (17†) in der Nacht vom Freitag, 19. auf Samstag, den 20. März 2010, kurz nach 02:00 Uhr, an der gegenüber dem damaligen «Club Q» an der Förrlibuckstrasse gelegenen Örtlichkeit, ist auch über 15 Jahre nach der Tat noch immer ungeklärt. Der Tatort befindet sich in Zürich-West, Kreis 5.

Ausgangslage der Polizei kurz nach der Tat bis zum Fahndungsaufruf (23.03.2010)

Als Vorbemerkung rufe ich die Wetterdaten von dieser Nacht in Erinnerung. Es war eine typische frühlingshafte Nacht ohne Wind bei ca. 5 – 7 °C Aussentemperatur. Es war trocken, es gab keinen Regen am Vortag. Michi R. (17†) starb noch am Tatort an einer oder mehrerer Stich-Verletzung(en). Ebenso wurde ein 20-jähriger Portugiese erheblich verletzt (Stich und Schnittverletzungen), konnte aber bald nach der Tat (bis 23.03.2010) das Spital verlassen. Zum Tatablauf gibt es aber nur wenige Informationen. Hier kann spezifisches Täterwissen, welches aus ermittlungs-technischen Gründen zurückgehalten wird, den Ausschlag gegeben haben. Klar ist zu diesem Zeitpunkt nur, dass mit einem Messer zugestochen wurde, nicht aber wie und wie oft. Das Messer muss der Täter bereits auf sich getragen haben. Das Messer wurde später auch nicht in Tatortnähe gefunden. Auch über die mögliche Beschaffenheit der Klinge wurde zu diesem Zeitpunkt nichts veröffentlicht. Zudem gingen die Ermittlungsbehörden davon aus, dass sich Täter und die beiden Opfer, aber auch nicht die Opfer untereinander, gekannt haben. Trotz vereinzelter Hinweise und einer konkreten Befragung eines ausfindig gemachten Zeugen und des überlebenden Opfers führten die Ermittlungen zu keinem konkreten Tatverdächtigen. Bis heute.

Trotzdem scheint ein gezielter Angriff, zum Beispiel, aus Rache/Vergeltung für die Ermittler nach dem Ermittlungsstand wenige Tage nach der Tat vorerst nicht vorzuliegen. Täter und Opfer, auch die Opfer untereinander, kannten sich vorgängig nicht, schreibt die Staatsanwaltschaft noch kurz nach der Tat. Die Polizei hatte eher Glück, dass besagte Kamera – nicht gerade rechtskonform – nicht nur den Privatgrund in der Linse hatte, sondern auch den Bereich des der Förrlibuckstrasse. Aber ebenso bemerkenswert: Es gibt offensichtlich nur diese eine Aufzeichnung der Kamera. Der Täter hat also offensichtlich nicht zuerst eine Runde gedreht, um sich ein Bild der Situation zu machen, oder allfällige Dealer ausfindig zu machen. Er wusste offensichtlich genau, wo er hinwollte. Aus diesem Grund ist es von grosser Bedeutung, wo der Tatort ganz genau war.

Die Presse schreibt nur, «gegenüber des Club Q». War der Tatort also rechts des Kamerabereiches oder doch eher links? Wäre der Tatort aber auf der linken Seite des Kamerabereiches, hätte der Täter wenden müssen und wäre nochmals von der Videokamera erfasst worden. Keinen anderen Schluss lässt die spätere Zeugenaussage über den Fluchtweg zu. Da sich der ganze Parkhauskomplex doch sehr erstreckt, ist nicht davon auszugehen, dass er die ganze Förrlibuckstrasse wieder abgefahren ist, um von da aus auch Richtung Hardturm zu flüchten. Dies käme zeitlich wohl eher nicht hin und würde dem spezifischen Täterverhalten wohl eher nicht entsprechen.

Die Zeit zwischen der Aufnahme und der Tat ist zu kurz. Nach Angaben der Polizei fand die Tat «kurz nach 2:00 Uhr» statt. Haben die Ermittler genügend Videomaterial der Überwachungskamera sichergestellt? Dabei denke ich auch an die wesentliche Zeitpanne eine Stunde früher. Blick hat darüber berichtet, dass es schon ca. eine Stunde vor der eigentlichen Tat eine Auseinandersetzung gab. Es wäre doch möglich, dass der Täter schon eine Stunde früher in den Bereich der Kamera gefahren sein könnte. Bessere Bilder gäbe es zwar nicht, aber für das Bewegungsprofil wäre dies sicher nicht ganz unbedeutend. Vor allem: Was machten Michi R. (17†) und Marco L. (20) in dieser Stunde vor der Tat, waren sie kurz im Club oder nicht? Immerhin waren es nicht gerade angenehme 5 – 7 °C Aussentemperatur. Sicher auch interessant wäre zu wissen, ob sie regelmässige Besucher des Clubs waren oder eher vor allem vor dem Club Drogen dealten. Wurde genügend Überwachungsmaterial des Club Q gesichert?

Signalement des Verdächtigen durch die Polizei veröffentlicht

Das Fahrrad ist ein eher auffälliges Model, ein dunkler Beach-Cruiser, geschwungener Lenker, geringe Sattelhöhe und zweifarbige Reifen. Der Verdächtige wird wie folgt beschrieben: «Typ Latino, gebrochen Deutsch sprechend, hat schlechte Zähne und dunkles Haar». Das Signalement: Er soll zur Tatzeit ein langärmliges, weisses Sweatshirt und darüber ein vermutlich rotes T-Shirt getragen haben. Alter: 20 – 35 Jahre; Körpergrösse 185 – 190 cm. Keine Angaben gibt es insbesondere zu den Schuhen und der Hose. Auf dem schlechten Bild meine ich auch eine Umhängetasche zu erkennen. Aber dazu gibt es keine Angaben. Auffällig ist noch, dass ein Zeugenaufruf in spanischer Sprache auch auf einer Internetseite publiziert wurde, die heute nicht mehr erreichbar ist, sich aber an dominikanische Personen richtete, die in der Schweiz wohnen. Unklar bleibt, ob der Verdächtige nicht auch aus einem südamerikanischen Land wie Brasilien, Argentinien oder dergleichen hätte stammen können.

Wobei die ChatGPT-Analyse eher auf eine Grösse von 170 – 180 cm kommt, was es aber nur mit Vorsicht zu berücksichtigen gilt.

Phantombild des Täters

Irritierend wirkt auf mich die Tatsache, dass kein Phantombild des Täters veröffentlicht wurde. Immerhin hätte Marco L. (20) das Gesicht des Täters hinreichend beschreiben können. Stattdessen gibt es nur wage Fahndungshinweise wie «Typ Latino», «ungefähres Alter», «ungefähre Grösse» und «schlechte Zähne». Ein Phantombild wäre auch aus weiteren Gründen evident: Es musste wiederum aufgrund des Täterprofils mit einer Flucht ins Ausland gerechnet werden.

Ausgehend von einem Phantombild könnte heute mit modernen Möglichkeiten das ungefähre Aussehen im Alter von 35 – 50 Jahren rekonstruiert werden. Spekulation ist natürlich, dass ich das damalige Alter des Täters aufgrund seiner Verhaltensmuster eher bei 20 – 25 Jahren ansetzen würde.

Auf einem Beach-Cruiser zum Tatort und von diesem geflüchtet

Dieses Fahrradmodel eignet sich von seiner Beschaffenheit her nicht, schnell zu fahren. Es muss davon ausgegangen werden, dass keine Diebstahlmeldung über ein solches Fahrrad vorlag. Auf alle Fälle gibt es dazu keine Angaben der Polizei, dass der Diebstahl eines solchen Fahrrades mit der Tat in irgendeiner Form in Verbindung stehen könnte. Möglicherweise konnte er dieses Fahrrad günstig erwerben, sei es bei einem Fahrradhändler oder auf dem Flohmarkt. Man hätte hier wohl nicht in ganz Zürich suchen müssen, sondern gezielt Händler im Umkreis von ca. 1.8 km um den Tatort, bzw. im Zeugenaufruf explizit nach Personen suchen müssen, die im selben Umkreis an Flohmärkten möglicherweise ein solches Fahrrad verkauft oder zumindest gesehen haben. Warum nur im Umkreis von 1.8 km, dazu später mehr.

Laut Aussagen flüchtete der Täter in Richtung Pfingstweidstrasse. Dabei wird er die Duttweilerbrücke nicht überquert haben. Wiederum nur Spekulation, aber aus psychologischer Sicht wohl dahingehend verständlich, weil sich die Brücke sehr lange dahinzieht, gut beleuchtet ist und – wie es zu vermuten ist – blutverschmierte Kleidungwohl eher auffallen würde.

Vorstellung über die Verhältnisse rund um den Club Q

Ein Bericht von 20min, verfasst von David Torcasso, aktualisiert letztmalig am 23. März 2010, gibt etwas die Stimmung und die Verhältnisse rund um den Club Q wieder und wurde wie folgt publiziert:

Nachdem Michi R. (17) in der Nacht auf Samstag vor dem Club Q erstochen worden ist, fordern Clubbetreiber Massnahmen: «Die Polizeipräsenz im Quartier Zürich-West ist in der Nacht zu tief», sagt Q-Mitinhaber René Götz. Er fordert deshalb mehr Polizei vor seinem Club und in der umliegenden Ausgehmeile im Kreis 5. Man überlege sich auch, die Club-Security rund ums Lokal patrouillieren zu lassen und nicht bloss vor dem Eingang. Unterstützung erhält Götz vom Verein Safer Clubbing, dem das Q und zehn weitere Zürcher Partylokale angehören: «Wir möchten nächste ¬Woche einen runden Tisch mit der Polizei und den Quartierpräsidenten durchführen», sagt Präsidentin Sigi Gübeli. Die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Clubs müsse angesichts der steigenden Gewalt dringend verbessert werden: «Die Clubs sind nicht in der Lage, Polizei zu spielen, sie machen jetzt schon mehr, als eigentlich zu ihrem Aufgaben-bereich gehört.» Die Gewalttaten würden ja meist auf öffentlichem Grund geschehen. Stapo-Medienchef Marco Cortesi sagt, die jetzige Präsenz in der Ausgehmeile genüge: «Wir können nicht ein Dutzend Polizisten vor jeden Club stellen – dafür fehlen uns die Leute.» Die Polizei sei in den Ausgehzonen präsent, könne aber trotzdem nicht jeden Streit verhindern. Ursache für Gewalt sei oft übermässiger Drogen- oder Alkoholkonsum: «Hier sind die Clubs gefordert.» Der Unbekannte, der Michi R. getötet hat, war gestern noch flüchtig.

«Blick» macht neue Details bekannt

Dann überraschendes: «Blick» veröffentlicht am 1. Juli 2010 – also etwas mehr als drei Monate nach der Tat - einen Bericht unter dem Titel «Wende im Mordfall Club Q – Erstochener Lehrling Michi R. (17†) kannte seinen Mörder» (Red. Viktor Dammann). Viktor D. beruft sich auf einen Informanten. Blick schreibt über den Täter von einem «grossgewachsenen Latinotyp mit schlechten Zähnen». «Blick» bestätigt, dass die Polizei zuerst davon ausging, dass sich Täter und Opfer sowie die Opfer untereinander nicht kannten. Das in den Berichten erwähnte zweite und schwer verletzte Opfer wurde bisher «der Portugiese» genannt. Bei Blick erhält er nun einen Namen. Er heisst Marco L. (20), damals offenbar Pizzabäcker, soll einem Kollegen erzählt haben, dass der Täter nach Drogen fragte. Dann wollte der Fremde gratis ins Q mitkommen. Plötzlich habe dieser ein langes gezacktes Messer gezückt. Eines wie in einem Rambo-Film. Hier bekommen wir erstmals eine Beschreibung der Tatwaffe. Damit nicht genug. Weiter erfährt Blick, dass der Täter offenbar schon eine Stunde vor der Tötung in der Nähe des Clubs Q mit den späteren Opfern in Streit geriet. Der damals zuständige Staatsanwalt Alexander Knauss bestätigte, dass eine entsprechende Zeugenaussage vorliegen würde. «Blick» recherchiert weiter und erfährt, dass Michi R. (17†) kein unbeschriebenes Blatt war. Im Oktober 2009 überfiel Michi R. (17†) mit Marco L. (20) gemeinsam eine Taxifahrerin. Marco L. (20) wurde damals für dieses Delikt zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Ermittlungsergebnisse vs. Blickrecherche

Es fällt auf, dass die Ermittlungen unmittelbar nach der Tat keine Informationen darüber hatten, ob sich Michi R. (17†) und Marco L. (20) kannten. Dies trotz der Tatsache, dass ein gemeinsam begangenes Delikt aktenkundig war. Unter Beizug des Dossiers zum Überfall auf die Taxifahrerin wäre sofort aufgefallen, dass sich Michi R. (17†) und Marco L. (20) eben doch kannten. Hier muss man zum Schluss kommen, dass Marco L. (20) in einer ersten Einvernahme falsch aussagte oder zumindest wesentliche Informationen zurückhielt. Kam es daraufhin zu einer weiteren Einvernahme? Wir wissen es nicht. Wenig plausibel erscheint, dass Informationen bewusst zurückgehalten wurden. Hier sei daran erinnert, dass in einem Mordfall, der nicht innert 48 Stunden aufgeklärt wird oder zumindest eine heisste Spur vorliegt, die Chance diesen Fall zu klären, bereits um 50 Prozent gesunken ist.

Ein weiterer Zeugenaufruf vom 4. August 2011 brachte keine weiteren Erkenntnisse. Vielleicht ging die Polizei damals auch von einem schnellen Fahndungserfolg aus, was eine penible und feinmaschige Spurensicherung negativ beeinflusste (reine Spekulation). Immerhin hatte man Zeugen und Täterbeschreibungen, mindestens eine Videosequenz des Verdächtigen – wenn auch eine schlechte – und konnte von einer Person ausgehen, die sich im Drogen- und/oder Dealer-Milieu bewegte. Aber nichts davon führte offensichtlich zum vermeidlich erhofften raschen Erfolg. Die Polizei setzte in er Folge eine Belohnung von CHF 10'000.- aus. Ob diese heute noch ausgelobt ist, wissen wir nicht.

Situation Förrlibuckstrasse/Mühleweg mit Kamerafokus. Nach der Tat soll der Täter laut Zeugenaussagen entlang des Mühleweg Richtung Pfingstweidstrasse geflüchtet sein.

Ab Pfingstweidstrasse gibt es zwei Möglichkeiten (vom Fluchtweg aus orientiert): Einerseits nach rechts, Richtung Altstetten, andererseits nach links Richtung Duttweilerbrücke/Escher Wyss.

Es bleibt aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er in Richtung Hardbrücke/Escher Wyss flüchtete, dann aber über die Duttweilerbrücke seine Fahrt fortsetzte.

Eine weitre, aber unwahrscheinlichste Variante ist über die Pfingstweidstrasse leicht rechts und dann gerade aus. Dort gelangt man aber nur in eine Sackgasse, ohne dass auch ein Fahrrad problemlos weiterkäme. Auf der Karte kann ich keine Strassenbezeichnung finden, es könnte sich aber die Fortsetzung des Mühleweges handeln.

Videosequenz mit dem Täter

Aufgenommen wurde der Täter kurz vor der Tat von einer Überwachungskamera. Auf Grund der zugleich abgebildeten Einfahrt zum Parkhaus und des auffälligen Runden Schutzdachs für die Ticketstation, kann der Standort der Kamera eindeutig bestimmt werden. Warum Einfahrt: Von der Strasse her kommt zuerst die Ticketstation und erst dann die Schranke. Bei einer Ausfahrt muss es gerade umgekehrt sein. Ein weiter Unterschied ergibt sich zum Bericht von Blick: Dort wird davon geschrieben, dass es sich um ein Bild kurz nach der Tat handle. Davon ist eher nicht auszugehen. Der Zeitstempel des Bildes gibt 1:59:15 an. Das Bild wurde von der Polizei veröffentlicht, allerdings ist die Qualität offenbar zu schlecht, um die Polizei wesentlich weiterzubringen. Kurz danach kam es laut Polizeiangaben bereits zur Tat. Ob es sich dabei um die einzige Videosequenz mit dem Täter handelt, ist unklar. Wenn die Tat also kurz nach 2:00 Uhr geschah und die Mitteilung der Polizei damit richtig liegt, vorausgesetzt, es wurde überprüft, ob der Zeitstempel mit der Echtzeit überhaupt übereinstimmt, muss der Tatort also aus Videosicht später auf der von der Kamera nicht mehr abgedeckten rechten Seite in der Förrlibuckstrasse geschehen sein. Dies wirft aber auch wieder Fragen bezüglich des Fluchtweges auf: Für den Fluchtweg müsste er wieder zurückgefahren, nach rechts in den Mühleweg eingebogen sein und von da aus Richtung Pfingstweidstrasse. Dies würde aber bedeuten, dass es mindestens eine zweite Videosequenz geben müsste.

<

Der Täter hätte von da aus einige weitere Fluchtmöglichkeiten, trotzdem würde die Angabe «Richtung Pfingstweidstrasse» zutreffen.

Als nächstes habe ich die möglichen Fluchtruten auf einer Karte dargestellt.

Tatortspuren

Darüber wird naturgemäss nichts öffentlich gemacht. Trotzen wäre es zumindest gut zu wissen, ob der Tatverdächtige Raucher war oder nicht. Immerhin hatte er sich zwei Stunden um den Tatort aufgehalten. Falls ja, wäre es zu erwarten gewesen, dass sämtliche Zigarettenstummel eingesammelt würden, wenn auch nur dann untersucht, wenn es sich als erblich erweisen könnte oder konkrete Hinweise durch Zeugen ergeben hätten, wo genau er vor der Tat noch geraucht hat. Es ist ebenso gut möglich, dass er auf diesem Weg noch geraucht hat und den Stummel wegwarf. Zugegeben, eine aufwändige Spurensicherung.

Weiter ist nicht bekannt, wie sehr sich der Täter bei seiner Tat mit Blut der Opfer verunreinigt hat. Ein genaueres Bild kann nur von genauen Zeugenaussagen, den Schnitt und Stichwunden abgeleitet werden. Seine Hände zumindest, müssten stark mit Blut verschmiert gewesen sein. Auch auf dem weissen Sweat-Shirt müsste leicht erkennbare Blutspuren vorhanden sein. Um weniger aufzufallen hätte er das weisse Sweat-Shirt durchaus weggeworfen haben können. Für die weitere Fahrt nach Hause, hätte das rote T-Shirt gereicht. Fakt ist aber, dass nirgends irgendetwas gefunden wurde.

Möglicher Wohnort des Verdächtigen durch Täterverhalten

Die Eingrenzung des möglichen Aufenthaltsortes bzw. Wohnortes des Tatverdächtigen scheint möglich: Er war mit dem Fahrrad unterwegs und war offenbar nicht besonders warm gekleidet, immerhin hatten wir in dieser Nacht nur ca. 5 – 7 °C. Er wollte sich dort in einem ersten Treffen, welches rund eine Stunde vor dem Tötungsdelikt wohl nur kurz mit Drogen versorgen, um dann wieder nach Hause zu radeln. Er war für die Temperaturen nur eher leicht bekleidet. Allerdings wissen wir nichts über seine Bekleidung beim ersten Aufeinandertreffen. Hatte er eine Jacke an? Ansonsten wir er sich nicht umgezogen haben. Mutmasslich gab es aber beim ersten Treffen eine Auseinandersetzung, über die wir nichts wissen. Der Bericht von Blick mutmasst, dass er durchaus möglicherweise nach Hause radelte, um die Tatwaffe zu holen und zurückzukehren. Wollte er sich so Respekt verschaffen? Fakt ist, dass es ihm innert beinahe genau einer Stunde gelang, vom Tatort nach Hause zu gelangen, sich das Messer zu holen, und wieder an den Tatort zurückzukehren. Dabei muss er sich Richtung Kreise 4, 5, 9 bewegt haben und wieder zurück.

Täterverhalten nach Bericht von Blick

Wenn wird voraussetzen, dass die bisherigen Erkenntnisse zutreffen, ergibt sich, dass der Täter innerhalb einer Stunde an seine Wohnadresse zurückkehrte, sich das Messer holte und wieder an den Tatort zurückkehrte. Dies sind immerhin drei Wegstrecken in besagtem Zeitraum. Dabei kann wohl das Beachten von Rotlichtern ignoriert werden, da wir uns in der Zeit von 01:00 bis 2:00 Uhr bewegen. Hier noch eine Unsicherheit: Wie lange blieb der Täter zu Hause. Entschloss er sich erst nach und nach an den Tatort zurückzukehren, weil die in dieser Zeit eingenommenen Drogen zu einer Enthemmung führte und die Wut über das Geschehene steigerte? Je länger der Täter also zu Hause war, um so kürzer ist der Mögliche Radius, in dem sich sein Wohnort befand.

Weitere Möglichkeit

Vielleicht sollten wir noch eine weitere sehr plausible Variante berücksichtigen: Nach dem ersten Treffen kehr er zurück, hat aber zuerst nicht vor sich nur das Messer zu holen. Es gibt zu diesem Zeitpunkt noch keinen Tatvorsatz. Nach der Einnahme weiterer Drogen, wird er zusehends enthemmter, die Wut in ihm über das erste Treffen steigert sich und wird gar irrational, bis er sich entschliess, mit dem Messer zurückzukehren und sich "Respekt" zu verschaffen. Fraglich ist, reicht die Zeit aus, dass irgendeine Droge, innert der möglichen Zeit, diesen Effekt zu erzeugen vermag und bis zur Tat anhält? Nehmen wir an, er wohnt nur 10 Minuten vom Tatort entfernt. Dann wäre die mögliche Zeit für diese Entwicklung (-5 Min. für rein/raus etc.) max. 40 Minuten. Anbei typische Substanzen in der Szene üblich sind und den Effekt erzielen könnten.

Plausible Mikrotimeline (zeitlicher Aspekt)

→ Das passt für alle Substanzen in der oberen Tabelle – ohne Lichtsignale berücksichtigt und bei 10 Min Distanz zum Wohnort.
  • ~01:05 Ende des ersten Aufeinandertreffens → 01:15 zu Hause.
  • Z01:17 Konsum (z. B. Crack/Kokain nasal/geraucht).
  • 01:20–01:30 deutliche Enthemmung/„Wut lädt nach“ (Peak je nach Stoff).
  • ~01:35–01:40 Entschluss, loszufahren → ~01:50–01:58 wieder am Tatort.
  • 01:59: Von der Videokamera erfasst.
  • ~02:00 ++ Eskalation.

Einschätzung

  • Für einen zielstrebigen Rückweg in wenigen Minuten mit aufkochender Wut/Kränkung sind am plausibelsten: Crack/Kokain (nasal/geraucht), Meth oder Cathinone – ggf. plus Alkohol.
  • „Erst nicht vorgehabt – dann enthemmt entschieden“ ist neuropsychologisch stimmig bei Stimulanzien (Impulskontrolle ↓, Feindseligkeit ↑).
  • Diese Pharmadynamik ist vereinbar mit der knappen Zeitspanne.

Eher grenzwertig oder untypisch für gezielte Rückkehr in 40 Min

  • Ketamin/PCP: rascher Eintritt möglich, aber starke Dissoziation → eher wirr/unfokussiert als „zielstrebig Respekt verschaffen“.
  • GHB/GBL: 10–20 Min bis Wirkung, aber Sedierung überwiegt; aggressive Eskalation selten.
  • Benzodiazepine/Opioide: eher dämpfend; Aggression nur selten paradox.

Mögliche Wohnortentfernung nach diesem Szenario (Bisherige Aspekte berücksichtigt)

Der Täter legt diese Strecke immerhin vier Mal zurück, wenn die Angaben von «Blick» stimmen. Unter allen Aspekten, die wir kennen, ist von einer eher kürzeren Distanz von bis zu ca. 1.8 km auszugehen.

Fluchtweg von Pfingstweidstrasse Richtung Zürich-Altstetten

Unter Berücksichtigung aller Faktoren, kann der mutmassliche Wohnort des Täters hier wie folgt eingegrenzt werden:

Fluchtweg von Pfingstweidstrasse Richtung Duttweiler-Brücke

Unter Berücksichtigung aller Faktoren insbesondere auch einer Flucht über die Duttweilerbrücke, kann der mutmassliche Wohnort des Täters wie folgt eingegrenzt werden:

Mitpreisspiegel

Da es hier im Wesentlichen um Wahrscheinlichkeiten geht, welche einen möglichen Wohnort des Täters einschränken sollen, möchte ich in einem weiteren Punkt auf den Mietpreisspiegel und die damit verbundenen Aspekte eingehen. Insgesamt sind die Preisrelationen / Preisentwicklungen zwischen den Quartieren stabil, Kreis 4 hat seit 2000 besonders stark aufgeholt.

Einordnung: Stadtweit liegt der Median bei 25.5 CHF/m²; Altstadt (Kreis 1) ist mit 36.3 CHF/m² die Spitze, Riesbach (Kreis 8) bei rund 31.8 CHF/m².

<
Kompaktes Score-Raster zur Wohnort-Plausibilität für Kreis 4/5/9, basierend auf
  • 1. Mietpreis-Relativität (günstiger = eher wahrscheinlich),
  • 2. Überlappung mit dem aktuellen Flucht-Sektor (LETZ–RIGHT, 166.83°–210.79°),
  • 3. Wohnbestandsdichte/Verfügbarkeit (Kreis 5 deutlich weniger Wohnanteil).
Eingangs-Mieten (Median, CHF/m², 2024)
  • Aussersihl (K4): 28.0
  • Industrie (K5): 27.5
  • Altstetten (K9): 24.3
  • Albisrieden (K9): 25.4
Berechnung (Gewichte: Preis 40 %, Sektor 40 %, Dichte 20 %)
  • Preis-Score = (Stadtmedian 25.5 / Quartiermedian), min-max-normalisiert auf [0..1]
  • Sektor-Score(LETZ–RIGHT): Altstetten 1.0, Albisrieden 0.8, Aussersihl 0.5 (Rand/teilweise), Industrie 0.2 (überwiegend ausserhalb)
  • Dichte-Score (Wohnanteil/Verfügbarkeit): Altstetten 1.0, Albisrieden 0.9, Aussersihl 0.7, Industrie 0.
Fazit: Diese Daten lassen vermuten, dass der Täter am ehesten Richtung Altstetten geflüchtet ist.

Mögliche Einschränkung des Wohnortes des Täters durch Handydaten/Funkzellenscreening

Wichtig ist immer, sich mit den Möglichkeiten und Gegebenheiten im Jahr 2010 auseinanderzusetzen. War der Täter oder die Opfer im Besitz eines Handys? Darüber wissen wir nichts. Weder aus den Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft noch aus dem Bericht von Blick (1. Juli 2010) geben darüber Auskunft bzw. Hinweise. Und man darf keine Rückschaufehler begehen. Aus damaliger Sicht ist es plausibel, dass es keine Rolle gespielt hat oder bekannt war, dass keine der relevanten Personen ein Handy besass.
Sollte der Täter zumindest ein Prepaid-Handy und zumindest eines der Opfer ein Handy in Besitz gehabt haben, würde das Bewegungsprofil des Opfers über das Vortatverhalten einiges aussagen können, um mögliche Handys zu filtern. Im Abgleich mit anderen Handydaten, wäre möglicherweise ein Profil ermittelbar, welches zu bestimmten Zeitpunkten ein gleiches Profil ergibt. Nochmals: Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Prepaid (also ein anonymes Handy) handelte. Die Spur bis zu einer weiteren Funkzelle, aber in keine andere mehr, könnte zumindest den Wohnort des Täters erheblich einschränken. Solche Erhebungen wären wohl im Jahr 2010 durchaus möglich gewesen. Als nächstes also wie so eine solche Cell-Site Cluster Analyse aussehen könnte.

Cell-Site Cluster Analyse (Hotspot centered: Club Q)

Primär stellt sich die Frage, ob im Zuge der ersten Ermittlungen solche Daten/Datenträger in der Untersuchungsakte befinden. Ob im anderen Fall solche Daten noch verfügbar gemacht werden könnten, könnte nur das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) in Biel klären.

Täterverhalten in der Zeit nach dem Tötungsdelikt

Wie bereits vor seiner Tat offensichtlich nie in irgendeiner Form aufgefallen, bleibt der Tatverdächtige auch nach seiner Tat offensichtlich unentdeckt. Einen festen Freundeskreis scheint dieser nicht zu haben, da zu vermuten wäre, dass jemanden die CHF 10'000 als Belohnung schon gereizt haben müsste, den Täter zu melden. Zumindest muss gelten, dass die Täterbeschreibung in Kombination mit dem Beach-Cruiser wohl mit Sicherheit dem nahen Umfeld hätte auffallen müssen.

Was uns der Bericht des «Blick» noch eröffnet

Aus dem Bericht vom 1. Juli 2010 geht hervor, dass Michi R. (16) und Marco (19) im Oktober 2009 eine Taxifahrerin überfallen hatten.
Juristisch und forensischer Rahmen: Drogenkonsum ist kein strafbefreiender Umstand, spielt aber eine Rolle bei Schuldfähigkeit und Strafzumessung (minderte Schuldfähigkeit). Im Rahmen der Ermittlungen von Gewalt- und Raubdelikten finden bei Hinweisen auf Konsum immer, also routinemässig, toxikologische Testungen statt. In einem Urteil würden sich solche Erkenntnisse widerspiegeln.
Forensisch-psychologische Interpretation: Die Enthemmung als Risikofaktor. Wie bereits dargelegt, waren diverse Drogen im Umfeld Zürich-West (2008-2010) gebräuchlich:
< ul>
  • Kokain (hohe Verfügbarkeit, häufig in Clubs),
  • Alkohol (klassischer Verstärker, v. a. in Kombination),
  • Amphetamine / MDMA (Partydrogen),
  • Cannabis (eher mild, aber mit Verstärkungseffekten bei Mischkonsum).
  • Gerade Kokain, im Effekt durch Alkohol verstärkt vermag die Impulskontrolle massiv zu senken. Bei Michi R. (16) und Marco L. (19) als junge Menschen, kann bereits eine geringe Menge zu einem Verlust der Impulskontrolle und zu einem eher aggressiven Auftreten führen. Hier kann auch die Gruppendynamik Michi R. (16), Marco L. (20) verstärkend gewirkt haben.

    Verbindung zwischen dem Taxiüberfall und dem Tötungsdelikt

    Waren also Michi R. (16) und Marco L. (19) bei ihrer Tat in vergleichbarem Masse enthemmt?

    Personenfreizügigkeit mit der EU

    Vorab möchte ich einen kurzen Überblick über die Verhältnisse im Jahr 2010 bezüglich des Personenfreizügigkeits-Abkommen CH – EU in Erinnerung rufen, welches dem Schengen-Dublin-Vertrag vorausging:

    Wir können daraus schliessen, dass einerseits die Personenfreizügigkeit wie vor allem auch das Schengen-Dublin-Abkommen ab 2008 griffen. Dies bedeutet, dass Zollkontrollen nach und nach durch Stichkontrollen (später vor allem im grenznahmen Raum) abgelöst wurden. Dies als Hintergrund für die nachfolgenden Überlegungen.

    Variante: Flucht innerhalb der Schweiz

    Wohl die finanziell günstigste Variante. Hier kommen wiederum – falls wir vom bisherigen Täterprofil ausgehen – Familienmitglieder bezüglich der Finanzierung am ehesten in Frage. Möglicherweise auch Freunde der Familie, denen diese grösstmöglich vertrauen können, da es wiederum an die Belohnung zu denken gilt.

    Flucht ins nahe Ausland

    Wohl die zweitgünstigste Variante. Ein Familienmitglied bringt den Täter über die Landesgrenze. Wiederum müsste der Täter bei Familienmitgliedern oder engen Freunden der Familie unterkommen, um sich überhaupt weiter unter dem Rader der Fahnder zu bewegen. Zudem auch hier eher das Risiko, dass dieser Personenkreis etwas vom Tötungsdelikt und vom Fahndungsaufruf hätten erfahren können. Hier haben wir im Ganzen bereits ein erhöhtes Risiko zur ersten Variante.

    Flucht mittels eines Linienfluges (Zürich, Basel, Genf)

    Da nur eine eher marginale Täterbeschreibung und kein Phantombild zur Verfügung stand, dürfte die Ausreise mittels Linienfluges insbesondere ab Zürich, aber auch Basel und Genf, kein besonders erhöhtes Risiko dargestellt haben. Wir wissen nicht, inwiefern Zollbehörden/Zollfahndung informiert wurden.

    Kombinationen mit der Flucht mit einem Fahrzeug und danach Flug (Zürich, Basel, Genf) aus dem Ausland

    Bei dieser Variante haben wir zwar wiederum ein erhöhtes Risiko.

    Mögliche Hilfe der Öffentlichkeit

    Besonders interessant wäre es, wenn die Öffentlichkeit hier ihre Fotos von Ferienreisen 2010 ab Flughafen (Zürich, Bern, Genf), insbesondere in der Zeit vom ca. 23.03. 2010 bis Ende August 2010, anschaut und nochmals reflektiert, ob sie am Flughafen von einer Person, die ins Täterprofil passen könnte, um Geld oder dergleichen angefragt wurden. Ebenso könnte jemandem bei der Gepäckaufgabe oder Abfertigung jemand in der Nähe aufgefallen sein und sich vielleicht über die «schlechten Zähne» gewundert hat.

    Finanzielle Möglichkeiten

    Die möglichen Fluchtvarianten bewegen sich wohl alle im gleichen Risikospektrum. Viel relevanter sind dabei aber die notwendigen finanziellen Mittel. Das bisherige mutmassliche Täterprofil lässt darauf schliessen, dass der Täter selbst über nur wenig finanzielle Mittel verfügte, die dementsprechend auch für den Drogenkonsum ausreichen mussten. Bei den Fluchtmöglichkeiten mittels Linienfluges (effektivste Fluchtvariante) stellt sich daher prioritär die Frage, woher die finanziellen Mittel bereitgestellt wurden, um ihm dadurch die Flucht zu ermöglichen. Auch hier gerät die Familie wiederum in den Fokus.
    Dabei kann auch eine Rolle spielen, dass sich die Familie kurzerhand zu einem Ferienaufenthalt im Ursprungsland entschied und der Täter nicht mehr nach Zürich zurückkehrte. Dabei können plausible Argumente für den Verbleib bei Verwandten im Herkunftsland ausschlaggeben sein. So zum Beispiel, dass er sich in der Schweiz nicht wohl fühlte und keinen Anschluss fand, die Sprachbarriere also nicht abbauen konnte. Ebenso könnte ein Drogenentzug als Vorwand dienen oder effektiv beabsichtigt gewesen sein. Niemand aus seinem Umfeld würde wohl Verdacht schöpfen noch ist davon auszugehen, dass das Umfeld im Herkunftsland vom Tötungsdelikt Kenntnis erhalten hätten und dies auf den Täter schliessen liesse.
    Fazit: Damit ist wenig erstaunlich, dass am plausibelsten davon auszugehen ist, dass der Täter in sein Herkunftsland geflüchtet sein könnte. Wenn man berücksichtigt, dass der Täter nach seiner Tat offensichtlich durch alle Raster unentdeckt blieb, verstärkt diese Annahme.

    Weitere Aspekte, die offensichtlich zu keinen belastbaren Spuren des Tatverdächtigen führten, bzw. von den Ermittlungsbehörden zurückgehalten werden.

    Ein Phantombild wäre wohl bei diesen Abklärungen sehr hilfreich gewesen.
    Asylwesen: Von einer Einreise als Asylsuchender muss am ehesten Abstand genommen werden. In diesem Fall könnte es nicht sein, dass das Täterprofil nicht aufgefallen ist.
    Migrationsamt: Überprüfung von Anmeldungen (Wohnsitznahme) und Abmeldungen von Personen, die ins Täterprofil passen, sowie auch Abmeldungen. Hier wiederum ein erster Fokus auf Zürich-West/Kreis 5, ev. auch Kreis 4 und 9. Wurden die Abmeldung selbst oder durch ein Familienmitglied vorgenommen?
    Abteilung Einwohnerwesen: Überprüfung von Anmeldungen (Wohnsitznahme) und Abmeldungen von Personen, die ins Täterprofil passen. Eine erste Einschränkung auf Zürich-West/Kreis 5, ev. auch Kreis 4 und 9, hätte durchaus Sinn gemacht. Auch hier gleiches für Abmeldedaten. Wurde die Abmeldung selbst oder durch ein Familienmitglied vorgenommen?
    Sozialdienste: Betreuung von Familien bzw. des Täters die zum Täterprofil passen. Eine erste Einschränkung auf Zürich-West/Kreis 5, ev. auch Kreis 4 und 9, hätte durchaus Sinn gemacht. Hier insbesondere: Nachfragen nach Vergütungen für Zahnbehandlungen. Wurde die Abmeldung selbst oder durch ein Familienmitglied vorgenommen?
    Suchtberatung und Betreuung: Sind Personen aufgefallen, die in das Täterprofil passen? Wurde die Abmeldung selbst oder durch ein Familienmitglied vorgenommen?
    Diebstahlanzeigen: Insbesondere über Beach-Cruiser und Rambo-Messer, aber auch andere bei denen es Täterbeschreibungen gibt und die passen könnten.
    Fluganbieter ab Zürich Flughafen: Abflugdaten in der Zeit nach der Tat 21. März 2010 bis Mitte April 2010 (in einer ersten Phase) nach Destinationen, die zum Täterprofil passen könnten.
    Arbeitgeber: Auch einem Arbeitgeber oder den Arbeitskollegen wären durch die Zeitungsberichte das Täterprofil wohl sicher aufgefallen. Mutmasslich war der Täter also eher nicht erwerbstätig. Falls er vielleicht eher als Taglöhner vereinzelt regelmässige Arbeit fand, ginge es darum zu erfahren, wer ggf. auf ein Aufgebot in der Zeit aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht mehr erreichbar war (auf das Täterprofil bezogen).
    Arbeitslosenkasse/Sprachekurse: Auch wäre es möglich gewesen, nach expliziten Suchkriterien allfällige Personen zu finden die dem Täterprofil entsprechen (natürlich hat das hier nichts mit dem Beach-Cruiser zu tun). In Rahmen dieser Betreuung hätte ihm wohl auch ein Sprachkurs finanziert werden können, welcher die Vermittlungsfähigkeit erhöht. Dies war wohl nicht der Fall. Weil wohl wiederum Personen, die denselben Kurs besuchten, eine Person mit dem Täterprofil möglicherweise auch einem Beach-Cruiser aufgefallen wäre. Auch hier zum Schluss wieder, wurde die Abmeldung selbst oder durch ein Familienmitglied vorgenommen? Gab es vorab «Bedenkzeitverfahren», weil der Täter Termine nicht mehr wahrnahm oder seinen Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen ist, insbesondere bei der Stellensuche.
    Persönliches Umfeld: Am erstaunlichsten, hier nochmals kurz angesprochen. Immerhin ein Tatverdächtiger mit auffälligem Beach-Cruiser. Geschwister, Eltern und Freunde hätten doch wohl einen Zusammenhäng erkennen müssen?
    Fahrradhandel: Anzahl verkaufter dunkler Beach-Cruiser, vorerst wieder beschränkt auf die Kreise 4, 5, 9.
    Pfandleihhäuser: Verpfändete dunkle Beach-Cruiser, vorerst wieder beschränkt auf die Kreise 4, 5, 9.
    Fundbüros (auch SBB): Der mutmassliche Täter ist auf der Flucht mutmasslich eine längere Strecke in der Nähe der Bahnlinie bzw. des SBB-Areals entlang geradelt. Theoretisch könnte er zu einem Zeitpunkt sich des Fahrrades oder bzw. und des Messers entledigt haben.
    Reisebüros: Dass sich der Täter selbst für das Buchen eines Fluges in ein Reisebüro begab, ist eher unwahrscheinlich, da mit erhöhtem Risiko verbunden auch beim Hin- und Rückfahren der Polizei aufzufallen. Daher muss eher davon ausgegangen werden, dass wenn über ein Reisebüro gebucht wurde, ein Familienmitglied dies erledigte. Da es klar ist, dass wir nichts über die Familienverhältnisse wissen, darf zumindest das Buchen eines Fluges über eine Kreditkarte als eher unwahrscheinlich gelten.

    Grosse Limmat Reinigungsaktionen vom Samstag, dem 20. November 2010

    Medienberichten zufolge ist nur eine Aktion bekannt Sommer 2010 gab es zwei Grossveranstaltungen in der Stadt Zürich: Züri-Fäscht und Street Parade. In der Limmat zwischen Quaibrücke und Rudolf-Brun-Brücke wurden von rund 200 freiwilligen Helfern mehrere Tonnen Abfall eingesammelt, darunter auch 36 Fahrräder. Der Bereich ist aber viel zu weit von einer möglichen Entsorgungsaktion des Täters entfernt, sollte er doch noch an die Limmat gelangt sein. Grundsätzlich werden auffällige Fundgegenstände protokolliert, was für Fahrräder zutrifft und Waffen zutrifft. Diese werden der Wasserschutzpolizei/Stapo gemeldet. Dies sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, um zu vermitteln, dass auch nach einer Quelle in dieser Richtung gesucht wurde.

    Rückführung von Marco L. (35) mittels Hypnose

    Zugegeben: ein solcher Vorschlag mutet immer etwas skurril an. Gerichtsfeste Ergebnisse können dadurch nicht erwartet werden. Aber zur Erstellung eines Phantombildes zum Tatzeitpunkt – um dies nachzuholen – falls er sich nicht mehr präzise erinnern kann, wäre dies zumindest denkbar. Dieses könnte dann mit modernen Methoden bearbeitet werden und das Aussehen zum heutigen Zeitpunkt vorstellbar machen. Auf zur Kleidung des Täters wissen wir in Anbetracht des Tatherganges erstaunlicherweise viel zu wenig (Als Beispiel: Schuhe, mögliche Umhängetasche). Ob sich Marco (20) dazu bereit erklärt hatte oder heute dazu bereit wäre, bleibt natürlich ungewiss. Allem Anschein nach, war er bezüglicher der Ermittlungen keine besondere Hilfe, womöglich auch aufgrund seines pendenten Verfahrens bezüglich Verurteilung wegen des Überfalls.

    Mantrailer-/Bloodhound-Hunde

    Mantrailer (Personenspürhunde) suchen nicht eine „mechanische“ Bodenfährte, sondern den Individualgeruch einer bestimmten Person. Dafür brauchen sie einen Geruchsartikel (z. B. Kleidung, sogar Knochen wären möglich). Sie können auch in Städten, Gebäuden und über Straßen/Autobahnen arbeiten; Alter und Länge der Spur hängen stark von Wetter, Untergrund, Publikumsverkehr und Probenqualität ab. In D/CH arbeiten u. a. Bloodhounds sowie geeignete Schäfer- und Jagdhunde; Ausbildung meist über viele Monate, sogar Jahre. In unserem Fall ist hier leider keine Einsatzmöglichkeit zu sehen, da keine isolierten Spuren des Täters, wie Kleidung oder andere Gegenstände vorhanden sind. Hier ebenso zur Vervollständigung der Überlegungen eingeführt.

    Zur Verjährungsfrage im Fall des Tötungsdeliktes an Michi R. (†):

    Das Mordmerkmal der Heimtücke liegt hier im Vordergrund. Den Zeugenaussagen zufolge scheint der Täter zuerst unvermittelt auf Michi R. (†) eingestochen zu haben. Er war dabei mutmasslich arglos, rechnete nicht mit einem Angriff. Danach – von der Situation überrascht – gelangen Marco L. Abwehrreaktionen, die ihm das Leben retteten, obwohl ihm erhebliche Stich und Schnittverletzungen beigebracht wurden. Sollte es stimmen, dass sich schon eine Stunde zuvor ein Streit den Täter derart aufgebracht hatte, dass er kurzerhand nach Hause fuhr, sich ein Messer holte, an den Tatort zurückkam, Versöhnung vortäuschte («gehen zusammen in den Club»), dann aber unvermittelt zustach. Dies deutet dann wiederum auf einen Vorsatz hin, wobei es unerheblich ist, ob er die Tötungsabsicht verfolgte oder «nur» eine «Lektion erteilen» wollte. Denn aufgrund der Tatwaffe – «ein Rambo-Messer» war klar, dass er damit rechnen musste, eines oder beide Opfer tödlich zu verletzen. Verstärkt wird dies dadurch, dass er offenbar von Marco L. (20) nicht abliess, sondern mehrfach versuchte, diesem wohl tödliche Verletzungen zuzufügen. Damit gäbe es Indizien für eine planmässige Tat, das Mordmerkmal niederer Beweggrund der Rache wäre mutmasslich erfüllt.
    Ein wesentliches Problem aber stellt sich den Ermittlungsbehörden: Geht man davon aus, dass der Täter unter erheblichem Drogeneinfluss stand, muss es gelingen, aufgrund des Täterverhaltens gerichtsfest nachzuweisen, dass dieser zu Tatzeitpunkt voll zurechnungsfähig war und sich nicht in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Wäre der Täter also vermindert schuldfähig? Ob sich dann die Mordmerkmale halten lassen, wäre wesentlich bezüglich der Verjährung. Wäre dies nicht überwiegend wahrscheinlich zu klären, müsste zu Gunsten des Täters entschieden werden, was eine Verurteilung verunmöglichen würde, da in diesem Fall die Verjährung bereits eingetreten wäre.

    Auskunft der Staatsanwaltschaft von Angang Oktober 2025

    Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft vom Oktober 2025 haben sich auch weiterhin in diesem Fall keine neuen Erkenntnisse ergeben. Seit Oktober 2011, also 1.5 Jahre nach der Tat, wurde das Verfahren sistiert bis neue Erkenntnisse die Fortführung der Untersuchung erlauben oder sich neue Hinweise auf die Täterschaft ergeben. Eröffnet wurde das staatsanwaltschaftliche Strafverfahren gegen Unbekannt damals wegen Verdachts auf ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt, die genaue strafrechtliche Qualifikation konnte mangels Täterschaft und ohne Anklage an ein Gericht nicht abschliessend vorgenommen werden. Mord kann nicht ausgeschlossen werden, in diesem Fall betrüge die Verjährungsfrist 30 Jahre (20. März 2040). Wie bereits erwähnt, könnte die Anklageerhebung die Verjährung unterbrechen. Die neuen Möglichkeiten, insbesondere bei der DNA-Analyse (Gesetzgebung seit 2023 in Kraft), wären dazu geeignet (siehe «Joggeli-Parkplatz-Mord»), die Massnahme einer (erneuten) DNA-Analysen der Asservate rasch zu prüften, da es wahrscheinlich ist, dass der Täter zumindest geringe DNA-Spuren bei der Tat hinterlassen hat, die sich heute bezüglich vorhandener Mischspuren isolieren lassen dürften. Danach wäre wohl auch eine Phänotypisierung möglich, die in diesem konkreten Fall eine erhebliche Rolle zur Eingrenzung der Tätersuche ermöglichen könnte.

    Zeugenaufruf

    Die Kantonspolizei Zürich bittet die Bevölkerung um Mithilfe: Wer hat in der Nacht auf Samstag, 20. März 2010, im Bereich Förrlibuckstrasse / Limmatplatz / Schiffbau / Hardplatz verdächtige Personen oder Fahrzeuge gesehen? Wer kann Angaben zum abgebildeten Mann machen? Hinweise bitte an die Kantonspolizei Zürich, Tel. 044 247 22 11.

    Hinweise geben

    Wenn Sie Informationen zu diesem Fall haben, nutzen Sie bitte das Hinweisformular.