Ort: Zürich, ZH · Datum: 7.06.2001 · Fall: Tötungsdelikt

ZH: Im Fall des gewaltsamen Todes von Rabbiner Abraham Grünbaum (70) (ז״ל) in Zürich ist bis heute der Mörder unbekannt. Am 7. Juni 2001 war Abraham Grünbaum (ז״ל) auf dem Weg in die Synagoge der Gemeinde «Aqudas Achim» in Zürich-Wiedikon. Als er auf diesem Weg zum Abendgebet auf der Weberstrasse unterwegs war, welche sich in der Nähe des Hallwylplatz befindet, wurde er gegen 22:00 Uhr von einem bisher unbekannten mit zwei Schüssen aus nächster Nähe niedergestreckt. Abraham Grünbaum(ז״ל) starb 30 Minuten später trotz ärztlicher Soforthilfe. Viele Fakten und vor allem die Bilder stammen aus einer Dokumentation, Länge 36 Minuten, des Schweizer Fernsehens SRF vom 7.08.2006

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Das Opfer

Abraham Grünbaum (ז״ל) war ein Überlebender der Schoa, wie zwei seiner Brüder. Sie wurden in ein Arbeitslager in Sibirien verbracht. Die Eltern wurden in Polen ermordet. s gibt Augenzeugenberichte, dass Abraham Grünbaum (ז״ל) nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Lager für «Displaced Persons» in Zeilsheim bei Frankfurt interniert war. Da begann er den Talmmud zu studieren. Dem Ruf eines Rabbiners folgend wanderte er 1952 über Frankreich nach Israel aus. In Bnei Brak studierte er an der Ponivez-Jeschiwas, einer berühmten orthodoxen Talmutschulen. Während seiner Tätigkeit bereiste er regelmässig Paris, Brüssel, Antwerpen oder Zürich, um für den Erhalt der Schule Geld zu sammeln. Seine Reise führte ihn regelmässig im Juni nach Zürich. Untergebracht war er privat bei der jüdischen Familie von Imre Esra Berkovics. Er kannte sich gut in Zürich aus. Am Folgetag er Tat, war eine Reise nach Brüssel geplant. Das Ticket hatte er in seiner Aktentasche. Er war als Rabbiner erkennbar. Er hinterliess seine Frau und elf Kinder.

Die Tat

Auf dem Weg zum Abendgebet war er gegen 22:00 Uhr in der Weberstrasse unterwegs. Dies ist aber eher ungewöhnlich behauptet SRF, da er sehr gute Ortskenntnisse besass. Fühle er sich verfolgt und entschied sich einen Umweg zu nehmen?

Unvermittelt trat der Mörder aus nächster Näher vor ihn und gab zwei Schüsse auf Abraham Grünbaum (ז״ל) ab. Sofort verschwand der Mörder und flüchtete in einen Hinterhof. Aufgeschreckt von den Schüssen beobachten zwei Anwohner seine Flucht. Eine Überwachungskamera filmt ihn. Als der Mörder bemerkte, dass er im Hinterhof gefangen war, rannte er zurück und floh in unbekannter Richtung, vielleicht sogar am sterbenden Abraham Grünbaum ((ז״ל) vorbei. Getroffen von den beiden Schüssen, wankte Abraham Grünbaum ((ז״ל) noch über die Strasse und brach dann zusammen. Abraham Grünbaum (ז״ל) starb 30 Minuten nach der Tat trotz ärztlicher Hilfe.

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Erwähnen möchte ich, dass der Weg nicht ganz so ungewöhnlich erscheint, wie SRF behauptet. Als die Doku gedreht wurde, haben just zwei orthodoxe Juden eben diesen Weg genommen und wurden von SRF auch gefilmt. Zumindest nach diesen Aufnahmen hätte sich SRF die These von der Verfolgung nochmals überdenken müssen. Dies deutet darauf hin, dass die Weberstrasse eine gängige Route zur Synagoge war. Zudem sollen Zigarettenstummel gefunden worden sein, was eher darauf hindeutet, dass der Täter dem Opfer an einer bestimmten Stelle auflauerte. Der Umstand, dass der Täter die Weberstrasse so weit auskundschaftete, dass er wusste, dass hier orthodoxe Juden auf dem Weg zur Synagoge anzutreffen sind, dürfte damit offensichtlich sein. Was hingegen verwundert: Zum Fluchtweg scheint sich der Täter im Vorfeld der Tat offensichtlich keine Gedanken gemacht zu haben. Denn er flieht zuerst in eine Sackgasse, muss wieder zurück, um die Flucht fortzusetzen.

Spurensuche

Am Tag nach der Tat wird das Gebiet mit Spürhunden abgesucht. Insbesondere auch das Ufer der Shil, um möglicherweise die Tatwaffe oder andere Gegenstände zu finden, welche der Mörder auf seiner Flucht weggeworfen haben könnte.

Am Tatort wurden zwei Hülsen sichergestellt. Dazu kommt ein Projektil – wohl aus dem Körper des Opfers. Da stellt sich bereits die Frage nach dem Verbleib des zweiten Projektils. Der kriminalistische Dienst der Kantonspolizei Zürich hat einen internationalen Ruf, was die Untersuchung von Spuren anbelangt. Die Ballistiker untersuchen die Hülsen mit den damals modernsten Mitteln. Wenn dabei auch nur gesichert werden kann, dass die Munition aus ein und derselben Waffe abgefeuert wurden.

Bei der Waffe handelte es sich um eine Pistole mit dem Kaliber 9 mm. Die Marke der Pistole auch aus den Hülsen nicht festgestellt werden. Es handelt sich dabei um das am häufigsten vorkommende Kaliber in der Schweiz, da auch die Pistolen des Militärs diese Kaliber aufweisen.

Weiter wurde untersucht, ob die Merkmale der Hülsen mit anderen Merkmalen von Waffen bekannt sind, die bei anderen Taten gesichert wurden. Es ergibt sich keine Übereinstimmung. Auch sämtliche beschlagnahmten Waffen werden beschossen und untersucht. Damit soll festgestellt werden, ob die Waffen bei irgendeiner Straftat in der Vergangenheit benutzt wurden.

Bemerkenswert ist, dass in vielen Berichten auch Zigarettenstummel erwähnt werden, die in der Dokumentation von Fernsehen SRF keine Erwähnung fanden. Das wird seine Gründe gehabt haben. Es ist nachvollziehbar, dass bis zur Verhaftung des Mörders, gelten muss, dass die Zigarettenstummel von irgendjemandem sein könnten. Erst der Abgleich mit DNA von Personen im Umfeld der NSU oder anderen Profilen in der Interpol-Datenbank abrufbare DNA-Profilen könnte zumindest eine verdächtige Person ergeben.

Zeugen

Bei den Ermittlungen waren im Besonderen zwei Zeugen wichtig. Allerdings sahen sie die Tat nur aus grosser Distanz. Beschreibungen der Zeugen waren daher unbrauchbar.

Die private Videoüberwachung

Der Zeitpunkt der Aufnahme stimmte mit den Erkenntnissen überein. Der Mörder ist von der Überwachungskameradabei erfasst worden, wie er sich in einem Innenhof verstecken wollte. Als ihm bewusstwurde, dass er hier keinen Fluchtweg findet, lief er wieder zurück und verschwand.

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Auch mit neusten Videobearbeitungsmethoden wäre es wohl kaum möglich aus diesen Aufnahmen etwas Brauchbares zu rekonstruieren.

Kurz nach der Tat wurde ein verdächtiger verhaftet, musste aber schon bald wieder freigelassen werden, weil dieser ein einwandfreies Alibi vorweisen konnte.

Gerichtsmedizinische Untersuchung

Grundsätzlich wird der Eingriff am toten Körper im Judentum abgelehnt. Doch bei Mord erlaubt die Religion eine Ausnahme. Aber alles Körperliche muss aufgenommen und mit dem Leichnam beerdigt werden. Selbst das Blut bei der Obduktion muss gesichert werden. Das für die Befunde zurückbehaltene Gewebe wird später den Angehörigen zur Bestattung übergeben. Es fand eine Obduktion statt, die Ergebnisse wurden im Film nicht thematisiert.

Hintergrund der Tat

Schon sehr bald war klar: Es ging nicht um einen Raubmord. In der Aktentasche, die sich noch immer am Tatort befand, waren CHF 1000.- Bargeld, sowie das Ticket für die geplante Weiterreise. Die Ermittlungen werden in alle Richtungen geführt. War Abraham Grünbaum (ז״ל) ein Zufallsopfer? Ging es womöglich sogar um einen Racheakt oder war es antisemitischen Ursprungs? Für den zuständigen Staatsanwalt des Kantons Zürich, Daniel Jost, erscheint eine Zufallstat eher unwahrscheinlich. Für eine gezielte Tötung gab es aber auch aus dem Umfeld keine Hinweise. Es muss sich also eindeutig um ein antisemitisch motiviertes Tötungsdelikt handeln. Es ist das bisher abscheulichste antisemitische Delikt in der Nachkriegszeit der Schweiz.

Das Täterprofil

Direkte Zeugen des Mordes gibt es keine. Er war allein unterwegs. Mehrere Zeugen hörten zwar die beiden Schüsse, konnten aber zum Mörder keine weiteren Informationen liefern. Aus der Videoaufnahme ist lediglich die dunkle Kleidung sichtbar.

Das rechtsextremistische Spektrum in der Schweiz

Auch in diese Richtung mussten die Ermittlungen führen. Mit Computertechnik wurden sehr viel Personen eruiert, die man bekannterweise der Rechtsextremen Szene zuordnet. Nach allen Kriterien blieb eine stattliche Anzahl an Verdächtigen, die man überprüfen wollte und denn auch überprüft hat. Auch aus diesen Ermittlungen ergaben sich keine konkreten Hinweise.

Der Sohn von Abraham Grünbaum (ז״ל) drückt es in der Doku von SRF vom 7.08.2006 folgendermassen aus: «Ihm geht es gut, der Mörder wird seine Strafe zu hundert Prozent erhalten».

War der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) in die Tat verwickelt

Der Sprecher der Zürcher Kantonspolizei wollte in einer Stellungnahme, publiziert am 10.12.2011, nicht explizit bestätigen, ob die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Allerdings würden bei ähnlichen Tötungsdelikten geprüft, ob es Verbindungen gibt. Dabei vielen die Verbrechen des NSU, wovon sich drei Mitglieder in Zwickau (Sachsen) zuletzt versteckt hielten, besonders auf. Eine Übersicht der Straftaten des NSU:

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Zusätzlich gab es auch zwei Bombenanschläge in Köln (2001, 2004) und Banküberfälle in Sachsen, Thüringen und weiteren Bundesländern.

Dass der NSU nicht früher als Terrororganisation entdeckt wurde, warf bekanntlich in Deutschland hohe Wellen. Es wurden bei den Ermittlungen sehr viele verehrende Fehler gemacht, wie sich bei der Aufarbeitung der Ermittlungen zeigte.

Am 13. Juni 2001, also desselben Jahres, ermordete die Zwickauer Zelle in Nürnberg einen türkischen Schneider, gut zwei Wochen später, am 28. Juni, einen Obst- und Gemüsehändler in Hamburg. Am 29. August 2001 schlugen die Mörder in München zu und richteten mit Kopfschüssen einen Kleinunternehmer hin, auch er ein Türke. Danach sollten über zweieinhalb Jahre verstreichen bis zum nächsten sogenannten «Döner-Mord».

Das kann alles Zufall sein. Doch auch in anderen Fällen tötete der NSU meist mehrmals in kurzen Abständen: im Sommer 2005 innert einer Woche zweimal, im Frühjahr 2006 zweimal im Abstand weniger Tage. Bekannt ist zudem, dass das Zwickauer Trio zahlreiche Verbindungen in die Schweiz hatte. So stammt die Tatwaffe der meisten NSU-Morde, eine Ceska-Pistole des Typs 83, aus der Schweiz. Sie war Anfang der 90er-Jahre bei einem Waffenhändler im solothurnischen Derendingen über den Ladentisch gegangen. Wie sie in die Hände der rechtsextremen Terroristen gelangte, ist bisher unbekannt.

Darüber hinaus sollen sich die Neonazis nach ihrem Untertauchen mindestens einmal in der Schweiz aufgehalten haben. 1998 oder 1999 hörten die deutschen Sicherheitsbehörden ein Telefongespräch ab, das eines der drei NSU-Mitglieder mit einem Freund aus Thüringen führte. Getätigt worden sei der Anruf aus einer Telefonzelle in der Schweiz, wie die «Berliner Zeitung» unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtete. Als das Trio Jahre später Ferien an der Ostsee machte, fuhr es angeblich ein Auto mit Schweizer Kennzeichen.

Aktenkundig sind Kontakte zwischen Schweizer Rechtsextremen und dem ostdeutschen NSU-Umfeld. So trat gemäss «SonntagsBlick» ein Aargauer Pnos-Aktivist im Jahr 2009 am «Fest der Völker» in Thüringen auf. Der rechtsextreme Anlass wurde unter anderem von Ralf Wohlleben organisiert. Der bekannte Neonazi sitzt inzwischen in U-Haft. Er wird verdächtigt, die untergetauchten Kameraden aktiv unterstützt zu haben.

Mordwaffe von Zwickauer Trio stammt aus der Schweiz: Die Ermittler des deutschen Bundeskriminalamts sind im Fall der Mordwaffe der Zwickauer Terrorzelle ein Stück vorangekommen. Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, stammt die Waffe, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Menschen ermordet wurden, aus der Schweiz. Die bei Morden an acht türkischen und einem griechischen Kleinunternehmer verwendete Ceska, Modell 83, sei in den 1990er Jahren in der Schweiz von einem inzwischen verstorbenem Waffenliebhaber gekauft worden. Die Witwe des Mannes habe Verwandte in Thüringen. Ein inzwischen Inhaftierter, der im Verdacht steht, 2001 oder 2002 als Kurier des früheren NPD-Funktionärs W. der Terrorzelle eine Waffe verschafft zu haben, soll in den nächsten Tagen alle 19 Waffen der Terrorbande gezeigt bekommen. Die Fahnder erhofften sich davon eine Identifizierung der Waffe, die er den Terroristen ins Versteck gebracht haben soll.

Das aus Thüringen stammende Neonazi-Trio hatte zuletzt unbehelligt im sächsischen Zwickau gelebt. Auf das Konto der Zelle soll die deutschlandweite Mordserie an Migranten in den Jahren 2000 bis 2006 gehen.

Die Ausführungen zur NSU und der Verbindungen in der Schweiz stammen von David Nauer, Berlin, und Thomas Knellwolf. Publiziert: 10.12.2011, 07:02, Aktualisiert: 17.09.2017, 12:22. Ein Artikel des Tagesanzeigers Zürich.

An diesem Beitrag ist eher befremdlich. Es scheint, dass nicht alle der erwähnten 19 Tatwaffen beschossen und ballistisch untersucht wurden. In der Schweiz gilt dieses Vorgehen für alle beschlagnahmten Waffen. Die ballistische Auswertung wird sowieso zeigen, ob und wo die Waffe bei einem NSU-Verbrechen benutzt wurde oder nicht. Da bisher keinerlei Erkenntnisse daraus bekannt wurden, muss davon ausgegangen werden, dass auch diese Spur keine weiteren wesentlichen Erkenntnisse für den Mord an Abraham Grünbaum ((ז״ל) lieferten.

Zu hoffen bleibt, dass ein Aussteiger aus dem rechtsextremen Milieu doch noch redet und die Ermittlungen wesentlich weiterbringt. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.